Der Franzose und ich. Departed.

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Einigen aufmerksamen Lesern fiel auf, dass in meiner letzten Fotoserie an den Ufern des Gardasees (Teil 1, Teil 2, Teil 3)  auf keinem einzigen Bild der kleine Franzose mit den großen Stehohren zu sehen war. Schon komisch, wo ich die Bulldogge doch dauernd ablichte und die Fotos hier zeige. Nun, das kam so:

Im Vorfeld unseres Gardaseetrips kaufte ich Hundenahrung in dem kleinen Fischerdörfchen am Fuße der Berge. Um dem Dicken eine Freude zu machen legte ich auch so ein hartes Schweineohr in den Einkaufswagen. Das sind so eklige Teile, auf denen der Hund dann lange zu Kauen hat.

Nunja, zuhause angekommen lugte der Franzose wie immer gespannt auf die Einkaufstüte. Ich bring ihm eben immer etwas mit.

Also pack ich die Tüte in der Küche aus und lege dem Franzosen voller Stolz das erstandene Schweineohr vor seine Nase auf den Holzboden. Der Geruch des Ohrs breitete sich auch schnell in der Küche aus. Ich erwartete ein freudiges Stummelschwanzwedeln und gieriges Schlingen… vergeblich, nichts tat sich. Spike blieb regungslos stehen. Seine zunächst freudige Miene fiel in die äußersten Winkel seiner Lefzen nach unten und erstarrte. Sein eingefrorener Blick war stur auf das gelblich braune abgeschnittene Schweineohr gerichtet. Zeitgleich wich die braune Farbe aus seinem Fell und mit dieser langsam auch die Farbe aus meinem Gesicht. Ich hielt mich am Küchentresen fest. Denn erst jetzt fiel mir auf, dass das Ohr in Form und Größe seinen Ohren entsprach. Ich wurde unsicher.

Der Franzose hob langsam den Kopf und fixierte mich mit seinen Augen, naja zumindest mit dem rechten. Hypnotisch stierte er mich an, während seine Stirn sich immer mehr in Falten legte. Fragend und entsetzt zugleich wollte er von mir wissen: „Was hast Du getan?“

„Ich? Nichts….w w w wieso?“ stammelte ich.

„Das da…“, angewidert blickte er wieder auf das Schweineohr.

„Ach das! Das habe ich Dir mitgebracht.“

„Du hast mir das mitgebracht? Für mich?“

„Ja klar. Ich dachte, Dir schmeckt das bestimmt. Du nagst doch immer gern.“ Ich wurde noch mehr nervös, wußte ich doch nicht so richtig worauf er hinaus wollte. Ich versuchte mit einem Lächeln die Stimmung zu kippen: „Probier doch mal! Leckerliiii!“

„Ich soll das essen, daran rumknabbern? An einem Bulldoggenohr? Hast du was geraucht?“

„Achso… nein! Das ist kein Bulldoggenohr, sondern ein Schweineohr. Sieht halt nur so aus. Naja, so manche Ähnlichkeit habt Ihr mit den süßen Schweinchen… Grunz, Grunz!“ Halb grunzend, halb lachend ahmte ich ein Schwein nach. Der Blick des Franzosen versteinerte unterdessen immer mehr.

„Soso.. ich bin also auch ein kleines Schweinchen. Und zur Belohnung darf ich am Ohr einer Schwester knabbern und es sogar gleich aufessen. Du bist aber ein freundliches Herrchen – ein richtiger Schweinehirt sozusagen!“ Seine Stimme klang wütender denn je.

„Ja.. im Prinzip.. ja“, stammelte ich weiter und das Lachen blieb mir dabei im Halse stecken.

„Friss doch Dein Schweineohr selbst!“ schrie er plötzlich in der Küche, drehte sich auf seinen Hinterpfoten um und verschwand im Schlafzimmer. Enttäuscht über die missglückte Überraschung hob ich das Ohr auf und knabberte in Gedanken versunken, daran.

Im Schlafzimmer knallten derweil diverse Schranktüren und Schubladen. Was der Franzose wohl vorhatte? Ich ging hinüber und wollte gerade die Tür zum Schlafgemach öffnen, als mir diese entgegen flog. Zwischen meinen Beinen hindurch drängte sich gleichzeitig die Bulldogge mit einem Rucksack auf dem Rücken. Ich konnte es nicht glauben:“Was machst Du? Was hast Du vor?“

Er blieb stehen, blickte mich an und kniff die Augen zusammen: „Was ich vorhabe? Ich hau ab. Unsere Beziehung ist an einem Punkt gelandet wo das Schwein einmal ohne seinen Hirten sein muss. Ich such mir jetzt ne richtige Schwester, ne Sau sozusagen. Mit Dir ist es echt nicht mehr auszuhalten!“

„Aber wieso? Ich kümmer mich doch um Dich und Du hast immer Dein Essen… .“

„Du machst die Dosen für mich auf! Apropos Essen – wo ist das Schweineohr?“

Mist… vor lauter Aufregung und Knabbern habe ich das eklige Teil selbst verschlungen. Der Kleine riss die Augen noch weiter auf und meinte nur: „Du perverses Schwein!“

Der Knall als er die Tür unserer Blockhütte ins Schloss warf tat mir in den Ohren nicht so weh wie in meinem Herzen, als ich dann so alleine im Hausflur zurückblieb… mit dem Geschmack eines toten Schweineohr im Mund.

Was soll’s, der wird sich schon beruhigen. Der Hund wußte ja, dass wir auf einen Fototrip nach Italien wollten. Um mich abzulenken ging ich ins Schlafzimmer, räumte den Schweinestall auf, welchen der hinterliess und fing schonmal an die Urlaubskoffer zu packen. Natürlich dachte ich auch an seine Sachen. Die Schmusedecke hatte er wohl mitgenommen, aber sein Körbchen musste ja ebenfalls ins Auto. Ich hob es hoch, als ich was aus der Kante blitzen sah… Ich zog einen Prospekt aus der Ritze an der Unterseite. Neugierig stellte ich das Körbchen ab, setzte mich auf die Bettkante und öffnete den Prospekt – URLAUB MIT HUND IN FRANKREICH. Mir wurde schwindlig und mein Hirn fing richtig an zu arbeiten. Der wird doch nicht?… dachte ich mir. Doch, dem ist alles zuzutrauen. Ich griff nach meiner Jacke sprang mit einem wenig eleganten Vorwärtssalto in meine Sportschuhe und auf mein Fahrrad (welches immer im Flur steht) und stürmte aus der Blockütte. Es gab ja nur zwei Möglichkeiten: die Autobahn oder den Bahnhof. Ich beschloss, dass ich zuerst zur Autobahn fuhr.

Nur wenige Minuten später erreichte ich die Autobahnauffahrt. Abgehetzt blickte ich um mich. Weit und breit konnte ich keine Französische Bulldogge entdecken. Mist… also doch der Bahnhof – hoffentlich. Ich schaute auf meine Sonnenuhr am Handgelenk. Es war kurz vor 12 Uhr. Um Punkt 12 fährt der einzige Zug durch unser Bergdorf. Ich schwang mich wieder auf meinen Drahtesel und schlug den Weg Richtung Bahnhof ein. Ich hatte schon einen blutigen Geschmack im Mund von der Anstrengung (oder war es der eklige Geschmack des zerkauten Schweineohrs). Völlig ausser Atem kam ich weitere Minuten später am Bahnhof unseres kleinen Ortes an. Ich liess das Fahrrad hastig in den Dreck fallen und stolperte zum Bahnsteig. Nichts – keine Menschenseele und keine Hundeseele… Oh Schreck, der Zug auf Gleis 3 ist gerade losgefahren. Ob er da drin ist? Mit letzter Kraft rannte ich dem Zug hinterher. Der nahm aber ziemlich schnell Fahrt auf und liess mich nach bereits wenigen Metern als Verlierer am Bahnsteig zurück, schnaufend wie eine alte Dampflok.

„Kann ich helfen?“ Der Bahnhofsvorsteher mit seiner roten Mütze stand plötzlich neben mir. Er hatte einen mächtigen Schnurrbart, an den Enden zu einer Schnecke gerollt.
Auf der einen Seite seines mächtigen Bartes hingen Reste von Hausmacher Leberwurst.

„Der Zug… wohin fährt der?“ Nur keuchend konnte ich meine Frage formulieren.

In klarem Amtsdeutsch gab mir der Bahnbedienstete zu verstehen: „Der da? Der fährt nach… Paris!“

– to be continued!

Oliver 2.0

 

9 Kommentare zu „Der Franzose und ich. Departed.

  1. Mensch Oliver, nun guck halt mal unter dem Kopfkissen in seinem Körbchen, ob er seinen Ausweis mitgenommen hat! Wenn nicht, sitzt der Bengel bestimmt bei Dir um die Ecke im Park und schaut zu, wie Du Dir Sorgen machst. ^^

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