2:20 Uhr.
Mitten in der Nacht erwache ich wieder einmal. Der Blick zur Uhr geschieht langsam um ja keine Lebensgeister zu wecken. Der Körper schläft noch. 2:20 Uhr ist zu früh. Jeden weiteren Gedanken abschalten – weiterschlafen.
Irgendwo in meinem Kopf brennt aber Licht. Ein Wort wurde wohl geweckt. Gleich daneben, in dem großen Schlafsaal, beginnt sich ein zweites zu strecken.
Ich drehe mich schnell zur Seite, atme tief durch und vermittle Ruhe. Aber im Schlafsaal geht eine Nachttischlampe nach der anderen an. Das erste Wort hat sich bereits erhoben und steht im Flur. Das zweite folgt bereits und noch eins und nochmal eines. Im großen Schlafsaal ist inzwischen ein lautes Murmeln. Dann plötzlich schalten sich die Neonröhren an der grauen Saaldecke ein. Kein Wort liegt mehr im Bett. Alle drängen sich auf den Flur um sich dort zu Sätzen zu positionieren. Unter Lärm reihen sich die Buchstaben auf. Es sind Hundertschaften. Im Gleichschritt setzen sie sich in Bewegung… durch den großen Flur neben dem Schlafsaal, die breite Treppe hinauf auf den Exerzierplatz. Immer neue Worte kommen hinzu, gliedern sich ein und bilden immer längere Sätze.
Das Stampfen der Serifen auf dem blanken Boden meines Hirns lässt mich nicht mehr schlafen. Der Aufmarsch der Worte… er hat längst begonnen.
Hilflos muss ich miterleben, wie in militärischer Genauigkeit die kriegsbereite Formation vor dem großen Tor eingenommen wird. Noch ist das riesige Portal geschlossen, noch halte ich die Kriegstreiber im Zaum. Ich spüre aber, wie der Druck immer größer wird. Die Forderung der Masse ist klar und inzwischen nicht mehr zu überhören: „Öffne das Tor! Öffne das Tor!“
Die Rufe der Worte lassen mich aufgeben. Dieser Übermacht kann ich nicht widerstehen.
Zögernd schalte auch ich meine Nachttischlampe ein und greife nach meinem Tablet-Computer. Ich schalte es ein, rufe meinen Blog auf und wähle „Neuer Artikel“.
In meinem Hirn töst nun lautes Kampfgeschrei. Vor lauter Freude und Nervosität hüpfen die Worte von einer Serife auf die andere. Dann ist es soweit…
Mein rechter Zeigefinger schwebt über der digitalen Tastatur…
„Öffne das Tor!“, ruft es abermals aus den Kehlen hunderter Worte in meinem Inneren. Es ist ein furchteinflößender Anblick. Ich beginne, zu schreiben. Ächzend schiebt sich das riesige Tor aus den Angeln und öffnet den Worten den Weg nach draussen. Unter lautem Kampfgeschrei rennen die Worte durch das breite Portal, bahnen sich ihren Weg durch meine Nerven hin zu den Fingern um dann zielgenau auf der Zielfläche zu landen. Schwer knallen die Worte auf den Bildschirm… So schwer allerdings, dass die Serifen wegbrechen. Wort um Wort, Satz um Satz, landen sie auf meinem Bildschirm. Die Kolonnen, die sich eben noch vor dem Tor versammelt hatten, breiten sich immer mehr auf der Schreibfläche auf. Der Aufmarsch läuft planmässig. Grammatikalisch zwar nicht immer ganz richtig, aber doch militärisch diszipliniert positionieren sie sich. Unablässig springen immer weitere Worte ab. Es dauert lange.
Erst 2:44 Uhr lässt die Flut von Worten langsam nach, derDruck in meinem Kopf ebenfalls.
Da stehen die Worte nun, bereit für ihr eigentliches Ziel… der Invasion. Aber damit will ich jetzt nichts mehr zu tun haben. Letzte Worte verlassen mein Gehirn, dann schalte ich das Tablet aus und auch das Licht zu meiner Linken.
Ich drehe mich zur Seite und schliesse die Augen. Ein paar einzelne Worte, die den Absprung nicht geschafft haben, sind noch dabei, den Schlafsaal aufzuräumen. Der ist nun wortleer. Nach einer Weile erlöscht auch dort das Licht.
Langsam schlafe ich ein, während die Worte in meinem Artikel nun kurz vor der eigentlichen Invasion stehen. Wer wird wohl das Opfer sein? Nimm Dich in Acht unbekannter Leser. Wenn Du diesen Satz liest, wird es zu spät sein. Die Worte… sie sind nun in Deinem Kopf!
Sei gut zu ihnen. Denn eigentlich wollen sie nichts böses.
2:53 Uhr.
3:17 Uhr.
Das gibt es doch nicht… wieder tönt es in meinem Kopf. Am geschlossenen Tor haben sich nochmals einige Worte eingefunden und hüpfen aufgeregt herum. Die müssen wohl alle auf der Toilette gewesen sein, während ihre Kameraden meinen Kopf verliessen.
Also… gleiche Prozedur nochmals. Nach wenigen Augenblicken haben auch diese Worte ihren Weg nach draussen und zu Dir gefunden. Jetzt ist aber Schluss! Ruhe im Schlafsaal, das Tor bleibt jetzt zu.
3:21 Uhr.
Von Oliver 2.0
Sehr nachvollziebar 😉 ! LG Anja
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🙂 Danke Dir! Oliver 2.0
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wunderbarer Text! lg t
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Freut mich, dass er Dir gefällt Tanja. Gruß, Oliver 2.0
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Ganz, ganz toller Text! Guido Rohm wird vor Neid erblassen!
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Danke für das Kompliment. Der Text musste halt einfach so raus…mitten in der Nacht. 🙂
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