„Welt , was ist nur mit Dir geschehen?“ (Gedanken zum 4. Advent)

Irgendwie lebt man das ganze Jahr in seinem eigenen kleinen Kosmos. Es gibt im eigenen Leben genügend Probleme und Sorgen, denen man sich täglich stellen muss. Neigt sich das Jahr dann langsam zu Ende, so wie jetzt, hebt manch einer seinen Kopf und blickt auch mal um sich. So auch ich… Weiterlesen „„Welt , was ist nur mit Dir geschehen?“ (Gedanken zum 4. Advent)“

Aufreger der Woche… Landknechte.

Also ein richtiger Aufreger ist es ja nicht…dank meiner Betablocker. Aber Gedanken mache ich mir schon ein bischen über unseren Hang zur Historie.

Das kam so…

In Bayern haben die Ferien begonnen. Wir bleiben hier – zur Freude meines Sohnes, zum Leid meiner Frau. Wo soll man auch hin? Zum Schwitzen nach Malle? Oder zum Schwitzen nach Griechenland? Könnte aber auch zum Schwitzen nach Italien. Nö, da schwitzen schon die anderen. Wir bleiben hier. Also Heimatprogramm. Tageszeitung aufgeschlagen und nachgeschaut was man so am Wochenende machen könnte. Also da hat man die Wahl zwischen Ritterturnier, Mittelalterfest, Landknechttreffen, Wallensteinfest usw…

Äh… auf der Welt wird gekämpft, gedroht, geklaut, gehungert, geschossen, gemordet, geplündert, geflüchtet…. aber wir hier, zumindest im Süden von Deutschland, nähen uns selbst Klamotten und gehen auf Mittelaltermärkte. Dort sieht man dann andere bestrumpfte Erwachsene in Birkenstocks wie sie zwischen den Kämpfen literweise Gerstensaft in sich reinschütten – aus Hörnern natürlich. Es werden Kriegsszenen nachgespielt, gefechtet und gegrillt… und natürlich gibt es Applaus vom Volk. Entschuldigung – Handgeklapper.

Unser Hang zur Historie erscheint mir abstrakt. Naja, war ja schon ne coole Sache – das Mittelalter und der dreissigjährige Krieg. Das kann man schon zelebrieren. Hat es uns Deutsche doch über die Jahrhunderte geprägt – diese düstere Vorzeit in unseren Gefilden.

Pest und Cholera hatten schon etwas von Romantik. Viel Applaus, Entschuldigung – viel Handgeklappere bekommen eben deshalb auch die Aussätzigen-Gruppen, welche wie Leprakranke zerlumpt und fetzig mit ihrer Klingel durch die Marktgässchen schleichen. Da gibt es Zauberer, welche sich Druiden nennen (nicht zu verwechseln mit Droiden). Es gibt Hexen die mit exotischen Gewürzen handeln und komischerweise so aussehen wie die Kassiererin im Supermarkt. Nicht fehlen dürfen natürlich die Lederhandwerker mit ihren schwarzen und nietenbesetzten Accessoires. Das Publikum direkt vor dem Stand, stammt aus der gegenwärtigen S/M-Szene, welche mangels Shoppingmöglichkeiten im ländlichen Unterallgäu zu den Stammgästen zählen. Gleich dahinter warten die Emo’s und Gothics. Diese erkennt man an den schwarzen Lippen, schwarzen Nägeln und überhaupt an allem Schwarzen. Im Gegensatz zu den S/M-lern sind ihre Piercings meist mit Fabelwesen verziert.

Das letzte Mal, als ich einem solchen Fest beiwohnte, war in Mindelheim. Dort wurde ebenfalls eine Schlacht dargestellt. So richtig mit Landknechten und echten Kanonen, welche es druckvoll knallen liessen.
Mitten im größten Kampfgetümmel verstummte plötzlich alles. Ich dachte schon, dass diese Pause für die Pressefotografen gilt, damit schöne Fotos gelingen. Dann wurde aber das Schlachtfeld geräumt. Die Toten und Schwerverletzten standen artig auf und räumten die Wiese. An einer Kanone gab es heftige Diskussionen.

Ach, ich kürze hier ab: Ein Akteur hatte sich beim Laden der Kanone verschätzt… das Ding ging los, mit ihm ein paar seiner Finger. Diese lagen nun irgendwo verstreut. Landknechte und Adlige hielten plötzlich zusammen – gingen Hand in Hand nebeneinander ganz langsam über das große Feld und suchten gemeinsam die Finger. Es war eine sehr friedliche und ruhige Szene, welche ich und die vielen anderen Zuschauer dann mangels Action aber verliessen.

Tja, so gefährlich kann der dreissigjährige Krieg sein.

Also zurück mit den anderen auf den historischen Markt. Natürlich zahlt man nicht mit Euro, sondern Talern, Gulden o.ä. Momentmal… das macht das Mittelalter dann doch wieder sympathisch.

Egal, ich mag nicht mehr hin. Zuviel des guten.

Klagt mich ruhig an – an den Pranger mit dem humorlosen Knappen! Naja, der dreissigjährige Krieg ist eben auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen.

Handgeklappere!

Euer augenzwinkernder Oliver 2.0