Bauer sucht Opfer.

Zugegeben, ich besitze einen Hund. Sogar eine Französische Bulldogge. Mit den bisherigen Arztkosten könnte ich locker das Defizit im amerikanischen Gesundheitswesen ausgleichen. Seit ich ihn habe, veränderte auch ich mich – rein äußerlich… An den Hosenbeinen klebt sein Sabber, an meinem T-Shirt hängen seine Haare, all meine Hosentaschen sind gefüllt mit schwarzen Beuteln und wenn ich spaziere schaue ich immer nervös um mich, ob nicht irgendwo ein Störfaktor auftaucht.

Ja, ich gehöre zu der Sorte Mensch, welche ein Vermögen für Haustierzubehör ausgibt. In Deutschland geht das gesamt in die Milliarden. Geld, welches sinnvoller für die EU und die Banken eingesetzt werden könnte, als für Fressnapf & Co.

Und dann diskutieren die Hundebesitzer auch noch über die Hundesteuer. Ein Hund ist nunmal etwas anderes als eine Katze. Ein Hund ist nicht so intelligent wie diese Filetfressenden und arroganten Einzelgänger. Er hinterlässt auch seine Machenschaften überall auf Wegen und öffentlichen Plätzen – im Volksmund auch Tretminen genannt. Hundehalter = Terrorist. Katzen hingegen machen dezent in Nachbars Garten.

Nein, Hunde sind für den Großteil der Bevölkerung eine Belästigung. Sie kosten den deutschen Steuerzahler ein Vermögen. Die Stadtreinigungen sind permanent damit beschäftigt, den Dreck von Hunden weg zu räumen. Da bleibt für anderes kaum mehr Kapazität frei.

Da geht es auf dem Land, in der Provinz schon anders zu. Da gibt es Menschen, die Dinge selbst in die Hand nehmen. Unsere Landwirte – auch Bauern genannt.

Das sind Menschen, die noch selbst über Tod und Leben entscheiden dürfen. Förster stehen allerdings noch ne Stufe darüber. Förster und Jäger dürfen sogar dezimieren – Wildschweine und sonstiges Wild. Es wurde mir mal so erklärt: Der Mensch hat über viele Jahre die Wälder gerodet um für andere Menschen Straßen, Autobahnen, Häuser und Firmen bauen zu können. Nun muss der Wald vor dem Wild geschützt werden, damit der Mensch seinen Wald geniessen kann.

Neulich fand ich beim Gassigehen mit Spike einen Hasen am Rande eines Maisfeld liegen. Der Hinterlauf schien verletzt zu sein. Sogar mein Hund hatte Mitleid und stupste ihn zärtlich mit seiner platten Nase an. Der Hase war aber mit seinen Schmerzen beschäftigt. Für mich ein klarer Fall für den Tierarzt (meine zweite Heimat). Ich wollte allerdings die deutsche Amtshierarchie einhalten. Nach einer halben Stunde Rumtelefonieren und weiteren zehn Minuten warten, stand der zuständige Förster da.

„Ich glaube, sein Hinterlauf ist angebrochen“, erzählte ich als stolzer Tierschützer. Bei der hinteren Worthälfte von ANGEBROCHEN, also -BROCHEN, zerfetzte ein Schuss mir schon das Trommelfell. „Scheiße“, las ich an den Lippen des Waidmannes ab. Er hat daneben geschossen – der Hinterlauf hing nun ganz weg. Der zweite und dritte Schuss traf. Mein gerettetes Geschöpf hing nun auf 30 Quadratmeter verteilt im Maisfeld.

Der Jäger war längst verschwunden, da musste ich immer noch die vorwurfsvollen Blicke meines Hundes aushalten.

Aber ich merke, ich schweife vom Thema ab. Es geht ja um Bauern und Selbstjustiz.

Sicher, es gibt sie noch die Landwirte, welche ein wenig Tierbestand haben und auf einem alten Fendt-Traktor durch den Ort fahren und freundlich winken.

Es gibt aber auch die neue Generation (damit meine ich nicht das Alter) – nämlich die Art von Bauern, die in einer Art Gerätegenossenschaft Zugriff auf riesige Landmaschinen haben. Wären diese Art von Bauern in meinem Beruf tätig – sie würden diese riesigen Spritfresser, SUV genannt, fahren und die Autobahnen unsicher machen.

So gehören ihnen aber die Wald- und Wiesenwege. Hier sind sie Herr. Das Land gehört ihnen und alles was dazwischen ist. Sie sind die Dominanz pur – das Sadomaso des Unterallgäus. Nicht „Shades of Grey“ – nein, „Shades of Korn“.

Man kann sie nicht einmal erkennen – so hoch thronen sie über dem Rest der Welt. Sie haben keine natürlichen Feinde.

Nur ein Geschöpf ist ihnen im Weg. Nur eine Kreatur bringt sie in Rage und fordert ihren Killerinstinkt – der Hund. Besser gesagt – der Hund und sein Besitzer. Sie sind die einzigsten natürlichen Feinde der Spezies Landwirt. Und der Landwirt hat nur ein Ziel: diese beiden müssen ausgerottet werden. Sie verdrecken die schönen Feldwege. Sie versperren die Rennstrecken für moderne Traktoren. Sie bedrohen das Weidevieh. Das Pack muss weg. Das alleine ist der Grund, warum die riesigen Traktoren mit Höchstgeschwindigkeit über Flure rasen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Lieber Leser, fahre mal ins Unterallgäu nach Türkheim auf die Römerschanze. Nicht nur weil es ein wunderschönes Fleckchen Erde ist und man einen tollen Ausblick auf die Berge hat. Hier kannst Du dieses besondere Schauspiel beobachten. Nur weil die Hundebesitzer sich sportlich fit halten, passierte bislang noch kein Unglück – was die Bauern noch mehr ärgert. Aber die Hundebesitzer, die dort spazieren gehen, sind schon geübt. Die wissen wie eine Hechtrolle in die Hecke funktioniert. Anders kann man sich diesen riesigen Monstern nämlich nicht entziehen.

Sollte doch einmal ein Hund oder sein Besitzer angefahren werden, kann man nur hoffen, dass kein Jäger hinzugezogen wird.

Ich habe einen Herzinfarkt überlebt. Ich werde auch das Spazieren überleben, obwohl ich mich diesem Überlebenskampf täglich stelle. Dafür ist es dort auch viel zu schön.

Mit einem Augenzwinkern,

Euer Oliver 2.0