Was für’s Herz… eine Zugfahrt.

Einen Herzartikel habe ich nun schon länger nicht mehr geschrieben. Aber gestern passierte mir auf einer Zugfahrt etwas, so richtig was für’s Herz. Wobei Fahrten mit der Deutschen Bahn oft herzlich sind… naja nicht immer. Selten findet aber irgendwo menschlicheres statt, als in einem engen Zug. Selbst dann, wenn alles schief läuft.

So passierte zum Beispiel im vergangenen Jahr einem Kollegen von mir, dass der ICE mitten auf der Strecke wegen Triebwerksschaden liegen blieb.
Kurz bevor die Entrüstung einiger Passagiere eskalierte, packte ein mitreisender Soldat seine Gitarre aus. Mein Kollege schwärmt heute noch von diesem Abend, als ein vollbesetzter Zugwaggon gemeinsam „Wir lagen vor Madagaskar…“ sang.

Ich stieg also gestern in den Zug ein und hatte eine Reservierung für das Großraumabteil, einen Platz am Tisch. Nunja, da ich mir Arbeit in den Zug mitgenommen hatte, wollte ich nicht Gefahr laufen, plötzlich mit Kindern am Tisch Memory oder MauMau spielen zu müssen.
Ich suchte also einen freien Platz im restlichen Zug und wurde im Ruhebereich direkt hinter dem Führerstand fündig. Im Abteil saß nur eine ältere Dame. Ganz hager, mit schneeweißem Haar.

Ich komm also in das Abteil, mit grauem Parka, Fell an der Kapuze, schwarze Wollmütze auf dem Kopf. Da spricht mich die Dame an: „Entschuldigen Sie der Herr… Sind Sie von der Bahn?“
Ich musste schmunzeln: „Nein, tu ich nicht. Aber vielleicht kann ich Ihnen trotzdem helfen.“
„Vielleicht können Sie das. Ich möchte ein bischen schräger sitzen.“
„Da ist ein Hebel, den müssen Sie ziehen.“ Ich greife an ihre Seite und ziehe daran. Sanft gleitet sie in die leichte Schräglage. Sie freut sich: „Danke, so ist es gut.“
„Gern geschehen.“

Es ist faszinierend, wieviel man auf solch einer Zugfahrt arbeiten kann, während die Zeit wie im Fluge vergeht. Zwischendurch wurde ich immer wieder von der alten Dame in der Sitzreihe neben mir gemustert. Irgendwann packte ich meinen Apfel aus und biss genüßlich hinein. Als ich mit dem Apfel fertig war, stand ich auf und warf den Rest in den kleinen Abfalleimer direkt hinter der alten Dame. Da bemerkte ich, dass sich auf ihrem Klapptischchen ebenfalls Abfall angesammelt hat.
„Soll ich Ihren Abfall auch wegwerfen? Dann haben Sie wieder Platz.“
Wenn man Menschen ins Staunen versetzen möchte, muss man nur freundlich sein.
„Sehr gerne!“, antwortete die Dame sehr erstaunt mit einem Lächeln im Gesicht.
Ich packte ihren Plastikkaffeebecher, die Bananenschale und das Müslipapier zusammen und entsorgte das Zeugs ebenfalls in dem kleinen Mülleimer.
„Sie sind wirklich nicht von der Bahn?“
Ich lache: „Nein, bin ich nicht.“

Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und arbeitete weiter. Dann erreichten wir irgendwann meinen Zielbahnhof. Ich packte meine Sachen zusammen und schlüpfte in meinen Parka, als mich die alte Dame am Arm festhielt: „Sie wären ein toller Zugschaffner!“

Ich verabschiedete mich von ihr und stieg lachend aus dem Zug. Irgendwie war es ein tolles Kompliment von einer alten Dame.

Euer Oliver 2.0

4 Kommentare zu „Was für’s Herz… eine Zugfahrt.

  1. Da sieht man, was in Deutschland an allen Ecken , Enden und Zügen fehlt: Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und einfach ein wenig Miteinander.
    Die Geschichte mit dem Soldaten finde ich richtig gut!!
    Schönen Donnerstag
    SK

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