Mein Wecker gibt es mir mal wieder. Nein, er schreckt mich nicht aus dem Schlaf um den Arbeitstag einzuläuten. Im Gegenteil, er zeigt mir nur die Zeit an. Aber genau das ist der Punkt. Es ist 2:58 Uhr… Mitten in der Nacht also. Wahrscheinlich liegt es daran, dass morgen Wochenende ist. Da gibt es immer viel zu tun, und zwar wahnsinnig viel.
Also, der Samstagfrüh beginnt immer mit Semmeln (Brötchen) holen. Irgendwie hat es sich eingebürgert, dass mir diese Aufgabe zukommt. Wobei dies am Samstag leichter zu meistern ist, als am Sonntag. Samstags hat nämlich die Supermarkt-Bäckerei auf. Und die bezieht immer frische Ware von kleinen Bäckereien im Umland. Lecker. Sonntags hingegen… Naja, meine Leser wissen schon was ich meine.
Es geht nichts über ein gemütliches Frühstück am Samstagmorgen. Dies wird dazu genutzt, Pläne für das Wochenende zu schmieden. Ich finde, ich habe immer gute Ideen. Mein Sohn ist immer anderer Meinung. Die dreizehnjährige Front eben. Naja, dann eben nicht.
Jetzt geht es eh erstmal um die Pflicht. Und da hat unsere Neuzeit etwas geschaffen, was ich aus meiner Kindheit nicht kannte und meinen Eltern fremd war. Millionen Bürger betrifft es. Es ist gelebte Einheit, wahrer Nationalismus. Allen Versammlungsverboten zum Trotz, macht sich das gesamte deutsche Volk zu einer Pilgefahrt und Völkerwanderung auf, welche Atilla, den Hunnenkönig erblassen lässt. Das Auto bis zum Bersten vollgeladen folgt man dem Ruf der Massen und fährt zum Recycling- oder Wertstoffhof.
Menschenmengen stehen dort in ihren Vehikeln Schlange, um sich von ihrem Wohlstansmüll zu trennen. Alles trifft sich – der Bauer auf seinem alten Fendt, der Geschäftsmann in der Nobelkarosse, natürlich mit Handschuhen geschützt. Der Fahrradfahrer mit seinem Grünzeugsanhänger und überhaupt alle, die ich dann wieder Sonntagfrüh in der Bäckerei treffe.
Es ist ein unglaubliches Treiben hier zwischen all den verschiedenen Containern und gärendem Grünzeugs.
„Wo kommen die Flaschen hin? Was ist das für eine Folie? Darf ich das reinwerfen? Wo steht das Altpapier? Gehört das zum Holz oder eher zum Metall? Wo sind überhaupt die Kinder?“… Das sind die Fragen, die Deutschland an einem Samstagmorgen bewegen. Oder ist es nur Bayern.
Und man fragt sich in der Tat selbst: „Wo um alles in der Welt kommt der ganze Müll her?“
Aber für Fragen gibt es zum Glück Personal – Aufsichtspersonal. Das sind Helfer in Sicherheitswesten, die polizeiliche Funktionen in diesem umzäumten rechtsfreien Gebiet wahrnehmen.
Ihrem Auge entgeht nichts. Und wehe jemand wird dabei entwischt, wie er Kartonmaterial entsorgt, an dem sich noch Reste des Klebestreifens befinden.
Ich gebe es zu: Hier bin ich immer ein Outlaw. Hier teste ich immer meinen Mut – seit es auf dem Friedhof nichts war.
Letzten Samstag habe ich nämlich ein durchsichtiges Nutella-Glas in den Container für grünes Glas geworfen. Ich bin mir nicht sicher ob ich dabei beobachtet wurde. Ich denke, dass ich heute besondere Vorsicht walten lassen muß.
Auf jeden Fall, fasse ich regelmäßig am Samstagmorgen, wenn ich mich aus dem Wertstoffhof gekämpft habe, den Beschluss Auszuwandern. Mein Bedarf an Menschen ist gedeckt.
Denkste… Abgekämpft und erschöpft nach diesem Vormittag, geht es dann erstmal zur nächsten Runde. Der Platz, der zuhause geschaffen wurde, muss ja nun wieder gefüllt werden. Auf in die nächste Großstadt zum Shoppen. Das wäre München oder Augsburg.
Ist aber eh egal, da man die meiste Zeit mit der Parkplatzsuche verbringt, weil die Parkhäuser vollgestopfter sind als der Styroporcontainer am Vormittag. Aber das Einzelkämpfertraining auf dem Wertstoffhof zeigt hier seine Wirkung. Da wird gedrängelt und geflucht was das Zeugs hält. Die Nerven liegen inzwischen blank bei der Konsumbevölkerung, die aber plötzlich auf einen Schlag miteinander wieder aufwacht – und zwar im Schuhgeschäft: „Möchten Sie die Schuhe mit Karton?“
„Nein, sonst habe ich so viel Müll!“ schallt es aus umweltfreundlichen Kehlen.
Schuhkartons werden selten mitgenommen. Und wenn, werden sie zur Fotoarchivierung eingesetzt. Ein Schuhkarton landet nicht auf dem Recyclinghof.
Irgendwann abends ist dann auch der Samstag geschafft. Mit etwas Glück hat man am nächsten Tag Aufbacksemmel und der Sonntag ist verregnet. Dann heißt es, ab auf die Couch, oder in meinem Falle meist ab ins Büro. Abends sitzt dann die Nation wieder vor der Glotze. Lautete die Samstagsfrage in Deutschland noch „Schatz, wann macht denn der Wertstoffhof auf?“ so lautet sie am Sonntagabend einheitlich: „Wer ist denn heute Kommisar? Wo spielt der Tatort?“
Lieber Leser, es ist inzwischen 3:45 Uhr. Ich freu mich jetzt schon auf den Montag!
In diesem Sinne Euch ein schönes Wochenende,
Augenzwinkernd, Euer Oliver 2.0.
Sehr schön geschrieben! Wir haben wirklich Probleme.
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Danke! 🙂
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