Chronologie eines Herzinfarkt. Teil 17

Wortlos tritt der Tod näher ans Bett des Alten.
„Was dagegen, wenn ich mir den Stuhl nehme?“ Er deutet in die andere Zimmerecke, wo ein alter Holzstuhl als Kleiderablage diente.

„Bitte!“, antwortet der Alte verdutzt aber höflich.

Der Tod greift nach dem Stuhl und zieht ihn mit einem lauten Quietschen ans Bett. Mit einem Handstreich entledigt er sich seines Mantel, den er ans Bettende wirft. Es kommt ein moderner schwarzer Anzug zum Vorschein, das dunkle Hemd darunter lässig am Kragen aufgeknöpft. Der Finstere öffnet sein Sakko und setzt sich langsam hin, während das alte Holz des Stuhles dabei ächzend knarrt. Dabei nimmt der Tod galant seinen Hut ab, welchen er vorsichtig auf seinem Schoß platziert. Langes weißes Haar fällt über die Schultern der finsteren Gestalt, welche nun aber gar nicht mehr so finster wirkt sondern eher…alt.
Erschrocken weicht der alte Witwer in seinem Bett zurück:
„Teufel, Du siehst aus wie ich!“ erkennt er nun im Licht.

„Ich bin nicht der Teufel. Ich dachte wir hätten das bereits geklärt. Ich renne nicht unter irgendwelchen Namen auf der Welt umher. Ich habe nur einen Namen!“ erwidert er fast beleidigt und harsch auf die vermeintliche Anschuldigung und zuckt ebenso zurück. Sogleich aber beschwichtigt er wieder:
„Zugegeben… Ich habe viele Gesichter. Und heute trage ich Deines.“
Ausschnitt aus „Der alte Mann und der Tod. Ein Dialog.“ von Oliver 2.0 (noch nicht veröffentlicht)

Gekürzt…

Am 21. März 2016 erscheint mein Buch NEUSTART (KLICK)!

6 Kommentare zu „Chronologie eines Herzinfarkt. Teil 17

  1. was ändert man denn? gut vielleicht gesünder leben,
    andere Sicht auf das Leben allgemein? negative Gedanken verbannen nur noch positiv denken? stell mir das echt schwierig vor wenn man seine Lebensgewohnheiten im normalen Umfeld verändern will?

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    1. Ich greife jetzt ein bischen meiner Geschichte vor…
      Für mich ist es gar nicht so schwierig. Die Angst und das Erlebte sitzen so tief drin, dass Änderungen als lebenswichtig angesehen werden. Man ändert sich auch nicht auf einen Schlag. Es ist eine Metamorphose.
      Aber Achtung: es ist bei mir so. Es gibt aber auch andere Fälle, wo der nächste Infarkt vorprogrammiert ist, weil gar nichts geändert wird. Ich traf in der Reha welche, die sich erstmal wieder ihre Zigaretten schmecken ließen.

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  2. Als meine Mutter starb, sah sie in den Tagen davor einen schwarzen Mann im Krankenhauszimmer sitzen. Sie flirtete und sprach mit ihm. Er schien sie nicht zu beängstigen. Er war irgendwie dunkel und zugleich freundlich.
    Deine Worte erinnern mich an diesen Moment.
    Danke für deine Geschichte, ich kann grad nicht aufhören zu lesen. Es ist sehr berührend und zugleich aufrüttelnd. Und es ist gut zu wissen, dass du da bist um sie zu erzählen.
    Sei gegrüsst
    nachtblaue

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